Offener Brief der SPDqueer Mannheim zum IDAHOBIT 2020
Die SPDqueer Mannheim verfolgt kritisch die sich zuspitzende Gefahrenlage für queere Menschen in Osteuropa, besonders in Polen und Ungarn. Zum IDAHOBIT (International Day against Homo-, Bi-, Inter-, and Transphobia (dt. Internationaler Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, und Transphobie)) 2020 wendet sich die SPDqueer Mannheim mit einem offenen Brief an alle deutschen Städte, positiv und konstruktiv mit den polnischen Partnerstädten in einen Dialog zu treten und so darauf aufmerksam zu machen, das auch LGBT-Rechte nicht verhandelbare Menschenrechte sind. Ziel soll hierbei nicht sein, die Partnerschaften ruhen oder gar abbrechen zu lassen, sondern sowohl im Gespräch, als auch in gesellschaftlichem, kulturellem und politischem Handeln und besonders im Jugendaustausch Einfluss zu nehmen und sich deutlich gegen vorurteilsmotivierte und menschenrechtswidrige Vorgänge zu stellen.
Zum Hintergrund:
Seit dem Sommer 2019 haben sich etwa ein Drittel Polens zu „LGBT-freien“ bzw. „LGBT-Ideologie-freien“ Zonen erklärt, Tendenz steigend. Vorangetrieben wird das Ganze von einer Organisation, welche sich selbst „Ordo Iuris“ nennt und von Seiten der Regierung unterstützt wird. Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit agiert diese katholische Stiftung infam gegen sexuelle Minderheiten und setzt durch den Namen der Initiative („Stoppt die Pädophilie“) sexuelle Minderheiten mit sexuellen Straftätern gleich. Aus den Orten, die sich zur LGBT-freien Zone erklärt haben und überwiegend im Südosten Polens liegen, kommen nahezu täglich Meldungen über queerphobe An- und Übergriffe. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft sieht in solchen Angriffen kein Problem. Die übliche Ausrede der Polizei ist dabei, dass im Paragraphen zu Hassverbrechen in der polnischen Gesetzgebung die sexuelle Orientierung nicht erwähnt werde.
Diese Vorgänge dürfen nicht bagatellisiert werden. Offene Diskriminierungen durch „alltägliche Homophobie“ in ganzen Ortschaften, bis hin zur öffentlichen Erklärung hier unerwünscht zu sein, bedeuten den gesellschaftlichen Ausschluss. Wir bitten die deutschen Partnerstädte solcher polnischen Gemeinden sich mit diesen zusammenzusetzen und offen darüber zu sprechen. Sie müssen gegenüber den polnischen Partnern aufzeigen, wie man frei und ohne Hass leben kann. Dabei muss klar sein: Dies ist eine Menschenrechtsfrage und damit nicht verhandelbar. Es muss auf eine Rücknahme der LGBT freien Zonen hingewirkt und dies zur selbstverständlichen Grundlage einer partnerschaftlichen Verbindung erklärt werden.
Ähnlich prekär stellt sich die Lage für trans*Menschen in Ungarn dar. Dort hat die Regierung die dortige Personenstandsregelung so verändert, dass diese zukünftig das „Geschlecht zur Geburt“ aufführt, welches „das biologische Geschlecht“ definiert und anhand „primärer geschlechtlicher Merkmale und Chromosomen“ unabänderbar bestimmt werde. Damit ist es künftig in Ungarn nicht mehr möglich, sein Geschlechtseintrag zu ändern und lässt somit insbesondere trans*Menschen rechtlich & gesellschaftlich in der Versenkung verschwinden. Beide Vorgehen sind ein enormer Rückschritt in den LGBTQ*-Rechten der jeweiligen Länder und den Menschenrechten in Europa.
Gerade zum IDAHOBIT 2020 möchten wir betonen: LGBTQ*-Rechte sind Menschenrechte. Diese sind in der europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben und sind durch Artikel 14 zu bewahren und zu beschützen. Das man sich hierbei auf das Fehlen der Sexualität und sexuellen Identität beruft ist fadenscheinig, jedoch muss hier der Europarat und die europäische Union diese Lücke schnellstmöglich schließen und auf die lückenlose Umsetzung pochen.
Bildquellen
- ilgaeurope-rainbowmap-2020-interactive: Ilga-Europe