Rede von OB Dr. Peter Kurz am 17. Januar 2015 bei der Kundgebung „Mannheim sagt JA“
Liebe Mannheimerinnen, liebe Mannheimer,
liebe Freundinnen und Freunde unserer Stadt,
heute ist ein wichtiger Tag für Mannheim. Es ist einerseits ein Tag, der leider notwendig geworden ist. Es ist andererseits ein Tag, der uns stolz machen kann auf unsere Stadt. Weil alle, die hier zusammen gekommen sind, eines zum Ausdruck bringen: Die große Tradition Mannheims als weltoffene Gemeinschaft lebt!
Es gibt Tausende, die sich für Offenheit, Toleranz, eine Willkommenskultur und ein friedliches Zusammenleben einsetzen – nicht nur an diesem Tag, sondern in vielen Taten des Alltags, in Beiträgen zur Verständigung, in der konkreten Hilfe für Flüchtlinge und Zuwanderer, in vielen Begegnungen. Dafür möchte ich allen Engagierten herzlich danken. Und ich danke allen, die heute gekommen sind, und ich danke den Veranstaltern, dass sie die Initiative für den heutigen Tag ergriffen haben.
Dieser Tag, diese Veranstaltung grenzt nicht aus. Alle sind heute willkommen, die sich zu dem zentralen Grundwert unserer Verfassung bekennen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wir wenden uns nicht gegen Menschen. Wir wenden uns gegen Menschenfeindlichkeit.
Heute haben sich hier Menschen versammelt, die durchaus auch unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wie eine Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik im Einzelnen aussehen soll. Es haben sich aber Menschen versammelt, die einig sind, dass wir bereit sein müssen, Menschen in Not aufzunehmen, dass wir Menschen als Menschen begegnen – offen und nicht beladen mit Angst und Misstrauen, dass politische Auseinandersetzungen nicht auf dem Rücken von Menschen, schon gar nicht auf dem Rücken von Menschen in Not ausgetragen werden dürfen.
Der heutige Tag ist ein Bekenntnis zu Anstand und Respekt. Und er ist eine Kampfangsage an Angst, Hass und Gewalt.
Und an alle, die Angst, Hass und Gewalt schüren wollen.
Und wir bekennen: Wir lassen unsere Demokratie nicht im Stich. Wir geben unsere Grundwerte nicht auf. Wir lassen uns nicht aufhetzen und wir lassen uns nicht spalten!
Nun sagen einige, man dürfe die Menschen, die bei Pegida mitlaufen nicht ausgrenzen und man müsse Sorgen ernst nehmen. Das ist richtig. Das heißt aber nicht, dass man die Teilnahme an Demonstrationen, die Menschen Angst machen, die Vorbehalte schüren und die Gesellschaft spalten, nicht kritisieren darf. Vor allem: Es ist immer die Behauptung der Populisten, dass Sorgen nicht ernst genommen würden. Wo gibt es dafür einen Beleg? Entgegen der Unterstellungen: Politik, Verwaltung, Polizei handeln und Medien berichten über extremistische, radikalisierte, islamistische Gruppen. Die Themen treiben uns um und Sorgen werden sehr wohl ernst genommen.
Wir führen in Mannheim eine offensive Diskussion über die für unser Zusammenleben unverzichtbaren Werte. Wir bauen mit vielen Begegnungen und Netzwerken Vertrauen auf. Wir vermindern Distanz zu unserer Gesellschaft, bauen Brücken und sorgen für Zugehörigkeit, auch und gerade, um eine friedvolle und sichere Stadtgemeinschaft zu bewahren. Wir handeln statt zu hetzen.
Wer sich ernsthaft zu den Werten der Aufklärung, der Freiheit, der Demokratie bekennt, findet hier einen Platz. Die Behauptung von Pegida, ausgerechnet für diese Werte zu stehen, ist Täuschung und Betrug. Sie wird mit jeder dort gehaltenen Rede widerlegt. Das müssen wir deutlich machen.
Natürlich sind viele Teilnehmer der Demonstrationen in Dresden nicht rechtsextrem. Sie hören aber rechtsextremen Reden zu. Und sie machen Rechtsextreme gesellschaftsfähig. Und das ist doch unsere historische Erfahrung: Die Feinde der Freiheit gesellschaftsfähig zu machen, ihnen nicht zu widerstehen, die Gefahr zu verkennen: das hat in die größte Katastrophe unseres Landes geführt. Der Nationalsozialismus hatte keine Mehrheit in Deutschland. In der letzten freien Wahl im November 1932 haben nur ein Drittel der Wähler für die NSDAP gestimmt. Vielleicht waren auch von diesen nur die Hälfte überzeugte Anhänger. Wir werden die historischen Fehler nicht wiederholen.
Unsere Erfahrung belegt, was der französische Intellektuelle, Friedensaktivist und Begründer der Zeitschrift europe, Romain Rolland Anfang des letzten Jahrhunderts so ausdrückte: „Das schlimmste Übel, an dem die Welt leidet, ist nicht die Stärke der Bösen, sondern die Schwäche der Guten.“
Wir sind heute hier, weil wir dies wissen. Weil wir nicht noch einmal den Angriff auf den Anstand und die Demokratie unterschätzen werden. Und weil wir allen sagen wollen: Gebt dem Ungeist keine Plattform! Ihr habt eine Verantwortung. Gerade wer die Demonstranten in Dresden ernst nimmt, in ihrer Aussage sich zu Demokratie zu bekennen, der muss sie fragen, wem hört ihr da zu?
Es gilt der Satz des großen Martin Luther King: „Wer das Böse ohne Widerspruch hinnimmt, arbeitet in Wirklichkeit mit ihm zusammen.“
Und wir sagen den Mitläufern in Dresden und in unserer Stadt: Die Antwort auf den Islamismus ist nicht, anderen Feinden der offenen Gesellschaft zu folgen. Der Aufbau einer homogenen und autoritären Gesellschaft ist nur eine andere Form der Unterwerfung.
Wer sich zu dieser Gesellschaft zählt, zu ihrer Mitte, der muss ihren Feinden wehren. Als Gesellschaft selbst sind wir je weniger angreifbar durch Gewalt, je fester und entschiedener die Mitte der Gesellschaft zu ihren Werten steht und je besser und glaubwürdiger sie realisiert sind.
Zu diesen Werten gehört auch das, was wir Solidarität oder Brüderlichkeit oder Nächstenliebe nennen. Auch das heißt „Mannheim sagt JA!“
Die Zukunft unserer Demokratien, die Zukunft des Zusammenlebens – sie wird in den Städten entschieden. In jeder Stadt müssen jeweils Antworten gefunden werden. Aus Mannheim kommt eine starke Antwort für ein respektvolles Zusammenleben in Vielfalt.
Intoleranz ist ein Zeichen der Schwäche. Schwach sind die, die Hass gegen Fremde schüren. Schwach sind auch die, die die Freiheit und den Humor mit der Kalaschnikow bekämpfen; die Menschen wegen ihres Glaubens töten.
All denen stellen wir unsere Stärke entgegen.
Die Stärke unserer Stadt.
Die Stärke der Offenheit.
Die Stärke des Dialogs.
Die Stärke der Toleranz.
Die Stärke der Freiheit und der Demokratie.
Darum sind wir hier.